Fragen zu Zen und Buddhismus
Antworten von Claude É Mon Cannizzo, Juli 2020
Ist Buddha ein Gott ?
Nein... Shakyamuni, Siddhârta Gautama (wie der Buddha mit « bürgerlichem » Namen vor seinem Erwachen hieß) war kein Gott. Buddha war ein Mensch wie jeder andere.
Gautama ist ausgezogen, um das durch Altern, Krankheit und Tod verursachte Leiden und dessen Ursprung zu verstehen. Er verließ seinen Palast und machte sich auf die Suche nach der Antwort auf die Frage, was der Grund dieses Leidens war und was den Menschen stattdessen Freude bringen könnte.
Er praktizierte, bis er das Erwachen (bodhi) erreichte und lehrte den Weg, der ihn dorthin geführt hatte und den wir heute noch gehen. Wir realisieren unsere Buddhanatur, indem wir seinem Beispiel folgen.
Glauben Zen-Buddhisten an Gott?
Auf verschiedene Fragen hat Buddha keine Antwort gegeben, unter anderem auf die Frage nach der Existenz eines Gottes, nicht weil er etwa keine Antwort gewusst hätte, sondern weil diese Frage für ihn keine Bedeutung hatte. Gott ist ein Konzept, dass Menschen für Menschen erfunden haben. Im Zen-Buddhismus wird nicht an ein göttliches Wesen geglaubt, das über die Menschen oder irgendetwas regiert.
Warum ist Buddha so dick?
Der häufig in Statuen dargestellte übergewichtige und freundlich lächelnde Mann ist nicht Buddha, sondern die chinesische Gottheit « Budai » (auf Japanisch « Hodei »), der Gott der Freude und des Glücks und Beschützer der Kinder. Er hat nichts mit dem historischen Buddha zu tun.
Verehren Zen-Buddhisten Statuen?
Die Anhänger des Zen ehren die Repräsentanten Buddhas, aber nicht in Form von Götzendienst oder Gebeten. Zum Beispiel wird durch die Statue des Kannon (Avalokiteshvara) die Ausstrahlung des Mitgefühls Buddhas dargestellt oder durch Manjushri mit dem Schwert das Zerschlagen von Illusionen. Beide sind Bodhisattvas. Wenn man sich vor ihnen niederwirft, dankt und huldigt man der Übertragung der Praxis und der Lehre (Dharma).
Haben Zen-Buddhisten Gebete?
Da die Zen-Buddhisten nicht an einen Gott glauben, beten sie auch nicht. Nach der Lehre des Zen ist die Beziehung zwischen allen Dingen wechselseitige Abhängigkeit. Es gibt keinen Unterschied zwischen der Ordnung der Dinge und der eigenen Person, daher gibt es auch niemanden, an den man ein Gebet richten könnte.
Ist Zen eine Religion?
Zen geht über den « normalen » Religionsbegriff hinaus. Es ist die Religion hinter allen Religionen. Es gibt keine Dogmen wie in den Religionen. Für einige ist es eine Religion, für andere eine Philosophie, für wieder andere eine Lebensart. All das ist nicht wirklich falsch, aber auch nicht exakt richtig.
Zen ist ein Weg, auf dem Mensch und Natur, Ethik, Weisheit und Mitgefühl zusammenkommen. Das alles zusammen genommen kann man als « Religion » bezeichnen, im Sinne von « Realisierung der Nicht-Trennung » - religere (verbinden) !
Gibt es einen Unterschied zwischen Zen und Buddhismus?
Der Buddhismus kommt ursprünglich aus Indien, ist also von der dortigen Kultur beeinflusst. Ein paar Jahrhunderte nach dem Tod Buddhas gelangte dessen Lehre nach China und Südostastien. Leider haben diese Wanderungen den Buddhismus im Laufe der Zeit zu einer dogmatischen Religion gemacht, mit Glaubensinhalten, Ritualen und Zeremonien…
Zen hat mit Dhyana die ursprüngliche Lehre Buddhas bewahrt. Es wurde zunächst in Indien durch Patriarchen und Matriarchinnen von Generation zu Generation übertragen, dann durch Bodhidharma (28.Patriarch) als «Chan» in China verbreitet und schließlich über Korea bis Japan, wo er Zen genannt wurde. Meister Dogen hat ihn dort mit den Wurzeln des ursprünglichen Dhyana eingeführt.
Und weiter von Generation zu Generation bis zu Kodo Sawaki in unserer Zeit. Europa erreichte es dank Meister Deshimaru, der, getreu der Lehre Dogens, den Schwerpunkt auf die Zazenpraxis und nicht auf Rituale oder theoretische Konzepte legte.
Warum wirft man sich im Zen zu Boden?
Die Niederwerfungen im Zen heißen «pai» oder «gotai-tochi». Go heißt fünf, tai heißt Körper. Fünf Punkte des Körpers (zwei Knie, zwei Ellebogen und der Kopf). tochi bedeutet «zu Boden führen».
Die pai werden folgendermaßen ausgeführt : man beugt sich aus dem aufrechten Stand ab der Taille vor, die Hände dabei in gasshô zusammengelegt. Dann beugt man die Knie, bis sie den Boden berühren. Man beugt sich ab der Taille weiter vor, bis Hände (Handflächen nach oben), Unterarme und Stirn den Boden berühren. Dann hebt man die Unterarme leicht an, bis die Hände etwa auf Höhe der Ohren sind und verharrt einen Moment in dieser Haltung. Schließlich führt man die Hände wieder in gasshô zusammen, richtet sich auf und beugt sich wieder zu Boden wie zu Anfang. Eine Folge von drei dieser Niederwerfungen heiß sanpai.
Mit den Niederwerfungen bekundet man Dankbarkeit und Respekt der Lehre Buddhas gegenüber, Buddha selbst und den Meistern der Dharma-Übertragung.
Muss man seine Religion aufgeben, wenn man Zen praktiziert?
Muss man Buddhist werden? Muss man konvertieren?... Etwas aufgeben wie seine Religion oder seine Ideologie, um sich einer anderen anzuschließen, ist keine gute Sache. Weder Buddha noch die nachfolgenden Patriarchen wollten andere bekehren, aus Respekt vor dem Glauben oder Nicht-Glauben eines jeden einzelnen.
Seit Jahrtausenden fordern uns griechische Philosophen, christliche Mystiker, Sufis und buddhistische Meister dazu auf, «uns selbst zu erkennen», einfach weil dies der Ausgangspunkt für jegliche spirituelle Verbindung ist, notwendige Voraussetzung für zwischenmenschliche Beziehungen. Das ist für mich «Religion»! Zen ist jenseits der Religion, die Entscheidung bezüglich der eigenen Religion muss jeder selbst treffen. Man bedenke auch, dass viele christliche Priester und Mönche im Alltag Zazen praktizieren.
Wie wird man Zen-Buddhist?
Um mit Zen anzufangen, braucht man nicht Buddhist zu werden. Man braucht nur Zazen zu praktizieren, hier und jetzt, denn Zazen ist die Basis von Zen. Es reicht aus, ein Zen-Dojo zu finden, um die Sitzhaltung und die Dojo-Regeln zu lernen. Das ist « säkuläres », am Lebensalltag orientiertes Zen.
Sollte man mit der Zeit das Bedürfnis verspüren, den Weg des Zen-Buddhismus zu gehen und vielleicht Mönch oder Nonne zu wollen, so setzt das die Bereitschaft voraus, ab diesem Zeitpunkt seinen Lebensalltag am Zen zu orientieren.
Wie bewertet Zen die Sexualität?
Sexualität ist die Grundlage des Lebens. Ohne Sexualität kein Leben. Der Zen-Buddhismus kennt 10 Gebote, von denen eines die Sexualität betrifft, nämlich: «Nicht begehren», d.h. keine «schlechte» Sexualität haben. Sie soll nicht bloß Triebbefriedigung oder egoistischer Lustgewinn ohne Rücksicht auf den Partner sein. Zen verbietet körperliche Liebe nicht. Aber echte Liebe ist nicht das Begehren, Besitzen des anderen, sondern dessen Glück zu wünschen. Andernfalls entstehen Eifersucht, Wut und Gewalt. Wenn man Zazen praktiziert, entwickelt sich echte Liebe zu allen Wesen von ganz allein.
Wie bewertet Zen die Lust?
Lüste, wie auch Sexualität, sind fester Bestandteil menschlicher Natur. In der Zwölfgliedrigen Kette Bedingten Entstehens (jap. innen) steht die Lust an achter Stelle. Aber in der Folge der zwölf von einander abhängenden Bedingungen ist sie die erste, die durch unsere eigenen Handlungen entsteht. In diesem Punkt unterscheiden sich die normalen Alltagsmenschen von den Weisen. Letztere sind in der Lage, die Entstehung von neuem schlechtem Karma zu vermeiden.
Lust und Sexualität gehören zum Leben. Buddha hat niemals die Unterdrückung von Lust gelehrt. Dafür warnt er aber vor der Anhaftung an Lüste. Lüste wie Sex dürfen nicht zum Gefängnis werden und uns zu Sklaven machen.
Was sagt der Buddhismus zum Thema Geld?
Geld ist ein Mittel, das geschickt genutzt werden kann. Welches zu besitzen ist kein Problem. Was allerdings zum Problem werden kann, ist die Anhaftung daran. Wenn man Geld in der rechten Weise benutzt, wie es im Achtfachen Pfad als « Mittel zur rechten Existenz » ausgedrückt wird, so ist das überhaupt kein Problem. Das Entscheidende ist, beim Geldverdienen und der Sorge für seinen Unterhalt, anderen Wesen nicht zu schaden. Wir sollen einen Beruf ausüben, der das Stück Buddhaweg nicht wieder in Frage stellt, das wir durch unsere Zazenpraxis zurückgelegt haben. Immer wachsam bleiben und sich vom Geld nicht benutzen lassen.
Wie lebt man seinen Alltag im Geist des Zen?
Nichts ist normaler als das. Man sollte nur die anderen nicht mit Zen belästigen. Lebt euer Alltagsleben intensiv, denn jeder Augenblick ist einzigartig, lasst davon keinen Krümel verloren gehen. Seid in jedem Augenblick vollkommen gegenwärtig, ob bei der Arbeit oder mit der Familie, euren Kindern und Freunden, so, dass ihr nichts zu bereuen habt. Befolgt die Buddha-Lehre als Lebensregel, zum Beispiel den Achtfachen Pfad, die Paramita…. Lebt in Harmonie mit eurer Umgebung, Zazen wird euch zweifellos dabei helfen.
Was sagt der Zen-Buddhismus zur Reinkarnation?
Von « Reinkarnation » ist im Zen häufig im Zusammenhang mit samsara die Rede; um Verwechslung zu vermeiden, würde ich eher von « Wiedergeburt » sprechen.
Das grundlegend Wichtigste ist nicht, sich damit zu beschäftigen, ob wir früher schon einmal gelebt haben oder nach dem Tod wiedergeboren werden, denn dieses Bedürfnis zeugt nur von der Angst vor dem Tod, der Mutter aller Ängste. All das sind eher bedeutungslose Spekulationen. Buddha hat die Begriffe Karma, Samsara und Wiedergeburt gelehrt, weil er sie bei seinem Erwachen selbst erlebt und die Verkettung von Ursachen und Bedingungen der Wiedergeburt verstanden hat (innen). Auf diese Weise konnte er die Menschen aufmerksam auf und verantwortlich für die Folgen ihrer Taten, Worte und Gedanken machen, welche Spuren hinterlassen und Bedingungen für die Wiedergeburt schaffen.
Darum kümmert man sich im Zen weniger, ohne sie aber zu leugnen. Was allerdings unsere Aufmerksamkeit verdient, ist die Frage, wie wir morgens nach dem Aufstehen den Tag unter Beachtung der Prinzipien des Zenweges durchleben. Das Wichtigste ist das Hier und Jetzt, der aktuelle Augenblick, der einzige, der wirklich existiert.
Welche Bedeutung hat das Karma im Zen-Buddhismus?
Egal, wie wir es betrachten: wir erzeugen im täglichen Leben in jedem durchlebten Moment den nächsten. Wir erschaffen in gewisser Weise unsere Zukunft selbst. Dieses Verhältnis von Ursache und Wirkung ist es, was wir Karma nennen, es wirkt unerbittlich, wir können uns ihm nicht entziehen. Auch wenn Zazen das Karma unterbricht, so ist es dennoch da. Das Wichtigste ist, sich darum zu kümmern, was heute, hier und jetzt geschieht. Den gegenwärtigen Augenblick nicht fliehen, vollkommen bei der Sache sein und sie zu Ende führen, «zanshin». So ist das, was beendet ist, auch wirklich abgeschlossen. Auch wenn die Aufgabe, die man vor sich hat, schwer ist: um sie zu bewältigen, muss man bis zum Ende durchhalten. Auch wenn wir heute dabei sind, die Bedingungen für das Zukünftige zu schaffen: Das, was noch nicht da ist, existiert nicht. Trotzdem ist es immer besser, im Sinne des Dharma, des Achtfachen Pfades, der Gebote und der Paramita zu handeln und zu reden, wenn man sich der möglichen Folgen seiner Taten und Worte bewusst ist!
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